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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 19.11.2007
Aktenzeichen: 5 U 86/06
Rechtsgebiete: AktG, BGB


Vorschriften:

AktG § 123
AktG § 125 Abs. 1
BGB § 187 Abs. 1
BGB § 188 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger ist Aktionär der beklagten Aktiengesellschaft und macht mit der Klage die Nichtigkeit unter Punkt 6 d) und e) der Tagesordnung gefasster Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 19. Juli 2005 geltend, hilfsweise deren Anfechtbarkeit nach § 243 AktG.

Die Hauptversammlung beschloss unter TOP 6 die Umstellung der seinerzeit auf den Inhaber lautenden Stückaktien auf Stückaktien, die auf den Namen lauten, und u.a. unter Punkt 6 d) der Tagesordnung:

"Als Folge der Umstellung soll auch das Teilnahmerecht an der Hauptversammlung dahingehend geändert werden, dass die bisherige Hinterlegung der Aktien beseitigt wird. Künftig ist teilnahmeberechtigt, wer als Aktionär im Handelsregister eingetragen ist und sich spätestens sieben Tage vor der Hauptversammlung bei der Gesellschaft schriftlich angemeldet hat. Innerhalb der letzten sieben Tage vor der Hauptversammlung werden Umschreibungen im Aktienregister nicht mehr vorgenommen.", und unter Punkt 6 e) der Tagesordnung u.a.:

" Aufgrund des vorstehenden Beschlusses wird die Satzung wie folgt neu gefasst:

§ 21 Stimmrecht

Zur Teilnahme an der Versammlung und zur Ausübung des Stimmrechts sind alle am Tage der Versammlung im Aktienregister eingetragene Aktionäre oder deren Bevollmächtigte berechtigt, die sich spätestens sieben Tage vor der Versammlung der Gesellschaft schriftlich angemeldet haben. Umschreibungen im Aktienregister finden innerhalb der letzten sieben Tage vor der Hauptversammlung nicht statt. Den zur Teilnahme berechtigten Aktionären können Eintrittskarten zur Hauptversammlung ausgestellt werden."

Die Klage ist am 19.8. 2005 bei Gericht per Telefax eingegangen und der Beklagten am 16.11.2005 zugestellt worden.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beschlussfassung verstoße gegen § 123 Abs. 4 AktG a. F., denn hiernach dürfe eine Hauptversammlung nur eine Satzungsbestimmung beschließen, die die Teilnahme an der Hauptversammlung oder die Ausübung des Stimmrechts davon abhängig mache, dass sich Aktionäre vor der Versammlung anmelden, wobei es genüge, dass sie sich nicht später als am siebten Tag vor der Versammlung anmelden. Dem widerspreche die getroffene Beschlussfassung einer Anmeldung spätestens sieben Tage vor der Versammlung. Hierbei handele es sich um eine gesetzeswidrige Verkürzung für die Aktionäre.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass folgender unter Punkt sechs d) und e) der Tagesordnung gefasste Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 19. Juli bei 2005 nichtig ist:

Unter Punkt 6 d):

"Als Folge der Umstellung soll auch das Teilnahmerecht an der Versammlung dahingehend geändert werden, dass künftig teilnahmeberechtigt ist, wer als Aktionär im Aktienregister eingetragen ist und sich spätestens sieben Tage vor der Hauptversammlung bei der Gesellschaft schriftlich angemeldet hat."

Unter Punkt 6 e):

" § 21 Stimmrecht

Aufgrund des vorstehenden Beschlusses wird die Satzung wie folgt neu gefasst:

Zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts sind alle am Tage der Hauptversammlung im Aktienregister eingetragenen Aktionäre oder deren Bevollmächtigte berechtigt, die sich spätestens sieben Tage vor der Versammlung bei der Gesellschaft schriftlich angemeldet haben."

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Klage wegen Versäumung der Monatsfrist des § 246 S. 1 AktG für unzulässig gehalten und die Ansicht vertreten, die Klage sei unbegründet, weil die angegriffene Satzungsbestimmung die gesetzlichen Vorgaben gemäß § 123 Abs. 4 AktG a. F. respektiere. Eine Verkürzung der gesetzlichen Frist sei weder erreicht noch beabsichtigt worden.

Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 63 bis 69 d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen, und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die in den Beschlüssen gewählte Formulierung verlängere die Anmeldungsfrist nicht, weil nach Beschlussformulierung und Gesetzeswortlaut gleichermaßen der 7. Tag vor dem nicht mitzurechnenden Tag der Hauptversammlung den Aktionären noch für die Anmeldung zur Verfügung stehe.

Diese Beurteilung greift der Kläger mit der Berufung unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens an, er macht geltend, die angegriffene Satzungsbestimmung regele unzulässig, dass die Anmeldung spätestens am 8. Tag vor der Hauptversammlung zu erfolgen habe, was sich auch aus einem Vergleich mit der Regelung in § 123 Abs. 1 AktG n. F. ergebe, in dem eine Einberufungsfrist von mindestens 30 Tagen vor dem Tage der Hauptversammlung normiert und insoweit anerkannt sei, dass die volle Frist zur Verfügung stehen müsse.

Die Beklagte hält die Berufung bereits für unzulässig, verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als richtig und macht geltend, in einem weiteren Verfahren gegen die Beklagte habe der Kläger seine Rechtsauffassung geändert.

Wegen des Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird ergänzend auf folgende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen: des Klägers vom 3.08.2006 (Bl. 102 bis 108 d. A.) und vom 10.11.2007 (Bl. 144 bis 145 d. A.), der Beklagten vom 16.10.2006 (Bl. 118 bis 121 d. A.) und vom 2.11.2007 (Bl. 137 bis 143 d. A.).

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte noch den Schriftsatz vom 14.11.2007 (Bl. 149 bis 151 d. A.) eingereicht.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist nach am 4. Mai 2006 erfolgter Zustellung der angefochtenen Entscheidung am 26. Mai 2006 eingelegt und nach Verlängerung der Frist zur Begründung bis 4. August 2006 an diesem Tag begründet worden.

Die Rüge der Beklagten, die Berufung genüge nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, weil eine Rechtsverletzung entsprechend § 546 ZPO weder konkret benannt noch auch nur nachvollziehbar angegeben werde, greift nicht durch. Die Berufung macht, was ausreichend ist, geltend, der angegriffene Beschluss stehe nicht in Einklang mit § 123 Abs. 4 AktG a. F., sondern verlängere unzulässig den zurückzurechnenden Zeitraum, in dem eine Anmeldung nicht mehr wirksam vorgenommen werden könne.

Die Berufung ist auch begründet, weil die angefochtene Entscheidung mit der unzutreffenden Annahme, der angegriffene Hauptversammlungsbeschlusses sei mit § 123 Abs. 4 AktG a. F. vereinbar, auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO).

Zu Recht und mit zutreffender Begründung geht das Landgericht davon aus, dass die Klage zulässig und nicht wegen Versäumung der Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG, die ohnehin nur einschlägig ist, soweit ein Nichtigkeitsgrund nicht vorliegt, unbegründet ist.

Die Frist ist im Streitfall gewahrt. Denn die Klage ist bereits am 19. August 2005, also am letzten Tag der Frist, was ausreicht, bei Gericht eingegangen und die Zustellung an die Beklagte am 16. November 2005 ist demnächst erfolgt (§ 167 ZPO). Die zeitliche Verzögerung der Zustellung beruht auf Umständen, die im Verantwortungsbereich des Gerichts liegen; bei der Bewertung, ob eine Zustellung demnächst erfolgt ist, sind die Zeiträume aber außer Betracht zu lassen, in denen die fehlende Zustellung vom Kläger nicht zu vertreten ist (vgl. KG AG 2005, 583, Juris Rz. 34).

Im Ergebnis zu Recht verneint das Landgericht die Nichtigkeit der angegriffenen Beschlüsse, denn Nichtigkeitsgründe nach § 241 Nr. 1 bis 4 AktG sind nicht ersichtlich und werden vom Kläger nicht aufgezeigt.

Die angegriffenen Beschlüsse sind aber wegen Verletzung des Gesetzes anfechtbar (§ 243 Abs. 1 AktG) und für nichtig zu erklären. Wegen der Identität der Rechtsschutzziele ist dies zu prüfen, obwohl der Kläger formal Feststellung der Nichtigkeit (§ 249 Abs. 1 AktG) beantragt und lediglich in der Begründung der Klage die Beschlüsse auch als anfechtbar bezeichnet hat (vgl. BGH, Urteile vom 17. Februar 1997 - II ZR 41/96, BGHZ 134, 364, 366; vom 20. September 2004 -II ZR 288/02, BGHZ 160, 253, Juris-Rz. 13).

Dabei ist der Klageantrag, in dessen Formulierung der Beschlusswortlaut jeweils nicht vollständig aufgenommen ist, dahin auszulegen, dass der Kläger die Beschlüsse zu 6. d) und e) insgesamt anficht. Weder ist ersichtlich, der Kläger habe lediglich eine Teilanfechtung gewollt, noch, die Beschlüsse hätten insoweit von der Hauptversammlung auch ohne die Bestimmung in dem im Antrag des Klägers aufgegriffenen Satz reduziert auf die vom Wortlaut des Antrags nicht umfassten (Halb-)Sätze gefasst werden sollen.

Die angegriffenen Beschlüsse verstoßen gegen § 123 Abs. 4 AktG a. F., der nach der Übergangsvorschrift des § 16 Satz 1 EGAktG im Streitfall noch anzuwenden ist, weil die Vorschriften des § 123 Abs. 2, 3 AktG n. F. erst für Hauptversammlungen gelten, die nach dem 1.11.2005 einberufen worden sind.

Aufgrund dieser Bestimmung genügt, wenn nach der Satzung die Teilnahme an der Hauptversammlung oder die Ausübung des Stimmrechts von einer Anmeldung der Aktionäre vor der Versammlung abhängt, dass die Aktionäre sich nicht später als am siebten Tag vor der Versammlung anmelden. Es ist vom Tag der Hauptversammlung zurückzurechnen, ohne den Tag der Hauptversammlung mitzuzählen. Das war schon vor der der durch das UMAG eingeführten Bestimmung des auch auf Anmeldefristen anwendbaren § 123 Abs. 4 AktG n. F. (vgl. Hüffer, AktG, 7. Aufl., § 123, Rz. 14, 15) anerkannt (vgl. Gantenberg, DB 2005, 207, 208/209; Hüffer, a.a.O., Rz. 14), weil sich Beginn und Ende nach Tagen bemessener Fristen nach §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 1 BGB richten (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2000 - II ZR 268/98, BGHZ 143, 339, Juris-Rz. 10 für § 125 Abs. 1 AktG). In Konsequenz dessen müssen zwischen dem Tag der Hauptversammlung und dem letzten Anmeldungstag mindestens sechs Tage frei bleiben (vgl. so ausdrücklich Gantenberg, a.a.O., S. 209), das heißt, der bei Rückrechnung ermittelte 7. Tag ist der letzte Anmeldungstag.

Die Satzung kann eine kürzere, aber keine längere als die gesetzliche Sieben-Tage-Anmeldefrist vorsehen (vgl. MünchKommAktG/Kubis, 2. Aufl., § 123, Rz. 38), wovon im Ansatz zutreffend auch das Landgericht ausgegangen ist.

Mit der Beschlussformulierung ist die Frist aber verlängert worden, weil sie besagt, dass die Aktionäre sich spätestens sieben Tage vor der Versammlung anmelden müssen, hiernach steht der 7. Tag für die Anmeldung nicht zur Verfügung, sondern nur noch der Vortag, weil sonst die Sieben-Tagefrist nicht in voller Länge frei bliebe. Dieses Verständnis ist für § 123 Abs. 1 AktG n. F.["mindestens 30 Tage vor..."] anerkannt, die volle Zeitspanne muss zwischen Einberufung und Beginn der Hauptversammlung liegen (vgl. Hüffer, a. a. O., Rz. 2), der Beschlusswortlaut unterscheidet sich von dieser Gesetzesformulierung nur durch die Verwendung des Adverbs "spätestens" statt "mindestens", ohne dass dies in der Sache einen Unterschied machte.

Der Einwand der Beklagten, mit der Satzungsbestimmung habe die gesetzliche Bestimmung eingehalten werden sollen, die Beklagte habe keine Verkürzung der gesetzlichen Frist erreichen wollen, greift nicht durch.

Zum einen wäre die Verkürzung der Frist nach dem Vorgesagten gerade zulässig. Auch mit dem Verständnis, die Satzungsbestimmung habe die Rechte der Aktionäre nicht verkürzen sollen, ist der Einwand unerheblich.

Satzungsbestimmungen (gleich, ob materielle oder formelle - zur Unterscheidung vgl. Hüffer, a. a. O., § 23, Rz. 2 ff) sind, solange - wie hier - eine Eintragung noch nicht stattgefunden hat, nach §§ 133, 157 BGB auszulegen (vgl. Hüffer, a. a. O., Rz. 39, 40). Da es sich bei der Satzung einer Aktiengesellschaft um eine Erklärung an die Allgemeinheit handelt (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 133, Rz. 12), richtet sich ihre Auslegung nach der Verständnismöglichkeit eines durchschnittlichen Beteiligten. Dieser muss "spätestens 7 Tage vor" in dem Sinne verstehen, dass die anmeldungsfreie Zeit 7 und nicht lediglich 6 Tage beträgt.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 14.11.2007 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung und keine Wiedereröffnung der verfahrensfehlerfrei geschlossenen mündlichen Verhandlung, in der die maßgeblichen Auslegungsgrundsätze erörtert worden sind (§§ 525 Satz 1, 296a, 156 ZPO).

Ob der Kläger, wie die Beklagte geltend macht, in einem weiteren Klageverfahren seine hier vertretene Ansicht zum Verständnis der angefochtenen Satzungsbestimmung geändert hat, was der Kläger in Abrede gestellt hat, ist nicht entscheidungserheblich und gibt zu einer abweichenden Entscheidung keine Veranlassung.

Die Nebenentscheidungen haben ihre Grundlage in den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr.10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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